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Einführung in NV-Zentren, Elektronenspin und ODMR

1. Was ist ein NV-Zentrum?

Ein NV-Zentrum („Nitrogen-Vacancy“) ist ein Punktdefekt im Kristallgitter von Diamant, bestehend aus:

  • einem Stickstoffatom, das ein Kohlenstoffatom ersetzt, und
  • einer benachbarten Leerstelle (Vakanz).

In seiner negativ geladenen Form (NV⁻) enthält es 6 Elektronen, die in vier Molekülorbitalen (a1a_1, a1a_1', exe_x, eye_y) verteilt sind. Zwei Elektronen mit parallel ausgerichtetem Spin besetzen die entarteten Orbitale exe_x und eye_y, was zu einem Gesamtspin S = 1 führt.

2. Was ist Spin?

Der Spin ist eine fundamentale quantenmechanische Eigenschaft von Teilchen, vergleichbar mit einem inneren Drehimpuls. Er ist:

  • keine reale Drehung, sondern eine quantisierte Eigenschaft mit zwei möglichen Zuständen beim Elektron:

    ms=+12(Spin-up),ms=12(Spin-down)m_s = +\tfrac{1}{2} \quad \text{(Spin-up)}, \quad m_s = -\tfrac{1}{2} \quad \text{(Spin-down)}
  • verantwortlich für:

    • das Pauli-Prinzip: Kein Elektron kann denselben Quantenzustand wie ein anderes besetzen.
    • die Hund’sche Regel: Orbitale werden zuerst mit gleichgerichtetem Spin einfach besetzt.

In NV-Zentren ist der Spinwert sogar S=1S = 1, was drei Projektionen erlaubt: ms=0,+1,1m_s = 0, +1, -1.

3. Energiezustände im NV-Zentrum

Das NV-Zentrum besitzt:

  • einen Triplett-Grundzustand g|g⟩,
  • einen Triplett-angeregten Zustand e|e⟩,
  • einen nicht-fluoreszierenden Singulett-Zwischenzustand s|s⟩.

Durch Spin-Spin-Wechselwirkungen (auch ohne Magnetfeld!) wird der Grundzustand in:

  • g,ms=0|g, m_s = 0⟩ und
  • g,ms=±1|g, m_s = ±1⟩

aufgespalten. Die Energieaufspaltung beträgt:

Dg2.87 GHzD_g \approx 2.87 \text{ GHz}

4. Optisch detektierbare Magnetresonanz (ODMR)

Grundidee

  • Das NV-Zentrum wird mit grünem Licht (532 nm) angeregt.
  • Es fluoresziert im roten Bereich (~637–800 nm) abhängig vom Spin-Zustand.

Fluoreszenzpfade

  • e,0g,0|e,0⟩ \rightarrow |g,0⟩: strahlender Überganghelle Fluoreszenz
  • e,±1sg,0|e,±1⟩ \rightarrow |s⟩ \rightarrow |g,0⟩: nicht-strahlenddunkler

Mikrowellen-Anregung

  • Mikrowellen mit 2.87 GHz induzieren Spin-Flips zwischen g,0|g,0⟩ und g,±1|g,±1⟩.
  • Dadurch landet das Elektron in einem weniger fluoreszierenden Zustand ⇒ Dunkelheits-Dip in der Fluoreszenz.

Mit externem Magnetfeld

  • Ein statisches Magnetfeld entlang der NV-Achse verursacht einen Zeeman-Effekt, der g,+1|g,+1⟩ und g,1|g,-1⟩ weiter aufspaltet.
  • Zwei Resonanzfrequenzen entstehen ⇒ Zwei Dips im ODMR-Spektrum.

5. Wichtige Fragen und Antworten

▶ Warum spalten sich die ms=±1m_s = ±1 Zustände?

Wegen Nullfeldaufspaltung durch Spin-Spin-Wechselwirkung im Kristallfeld.

▶ Was ist der Singulett-Zustand?

Ein nicht-strahlender Zwischenzustand, über den Elektronen von e,±1|e,±1⟩ nach g,0|g,0⟩ relaxieren – ohne Lichtemission.

▶ Wie kommt das Elektron von g,0|g,0⟩ nach g,±1|g,±1⟩?

Durch gezielte Mikrowellenanregung bei 2.87 GHz, die genau der Energieaufspaltung entspricht.

6. ODMR-Signal – was wird gemessen?

  • Das ODMR-Signal ist die Fluoreszenzintensität als Funktion der Mikrowellenfrequenz.
  • Ohne Mikrowellen: Maximale Fluoreszenz.
  • Bei Resonanz: Absinken der Fluoreszenz (Spin wird aus ms=0m_s = 0 „herausgeflipped“).
  • Bei Magnetfeldern: Zwei Absorptionsdips statt einem.

7. Warum ist das wichtig?

  • Quantensensorik: Präzise Messung von Magnetfeldern (Nanotesla-Bereich).
  • Quanteninformation: Spinzustände dienen als Qubits.
  • Biophysik & Materialwissenschaft: Sensoren für Temperatur, elektrische Felder, pH-Wert etc.

8. Zusammenfassung als Merksatz

:::warn Der Spin macht den Unterschied: Er strukturiert Orbitale (Pauli, Hund), teilt den Grundzustand auf (NV), und erlaubt es, mit Licht und Mikrowellen Quanteninformation sichtbar zu machen. :::

9. Zustände:

1. Nur optische Anregung (532 nm, kein Magnetfeld, keine Mikrowelle)

Der NV-Zentrum wird mit einem 532 nm Laser angeregt: Elektronen gehen vom Grundzustand ∣g⟩ in den angeregten Zustand ∣e⟩. Dort gibt es zwei Pfade zurück:

  • ∣e,0⟩→∣g,0⟩ mit starker Fluoreszenz
  • ∣e,±1⟩ → nicht-strahlender Übergang über Singulett-Zustand ∣s⟩ → ∣g,0⟩ ⇒ Fluoreszenz reduziert

Ergebnis: Meiste NV-Zentren landen am Ende im ∣g,0⟩|g,0⟩∣g,0⟩. Das nennt man optisches Pumpen in den ms=0 Zustand.

2. Optische Anregung + Mikrowelle (2.87 GHz)

Eine Mikrowelle mit 2.87 GHz trifft genau die Energieaufspaltung zwischen ∣g,0⟩ und ∣g,±1⟩ (Nullfeldaufspaltung Dg). Das bewirkt einen Spin-Flip:

  • Elektronen werden periodisch zwischen ∣g,0⟩ ⇄ ∣g,±1⟩ hin- und hergeschaltet (Rabi-Oszillationen).

Folge: Mehr Elektronen landen in ∣e,±1⟩, die dann über den Singulett-Zustand relaxieren ⇒ Fluoreszenz wird dunkler.

3. Optische Anregung + Mikrowelle + äußeres Magnetfeld

Durch ein externes Magnetfeld B∥entlang der NV-Achse wird das entartete ms=±1 Niveau gesplittet (Zeeman-Effekt). Jetzt gibt es zwei unterschiedliche Resonanzfrequenzen: ∣g,0⟩→∣g,+1⟩ ∣g,0⟩→∣g,−1⟩ Mikrowellenfrequenz wird durchgestimmt → es gibt zwei Dips in der Fluoreszenz. Das ist das typische ODMR-Signal unter Magnetfeld.